Diese Tendenz ist schon seit geraumer Zeit erkennbar, nachdem der <link gesellschaft-und-politik beitrag der-westbalkan-bleibt-heiss-umkaempft _blank>Westbalkan jahrzehntelang von der EU als eine Art Hinterhof mit Missachtung betrachtet wurde, die im besten Fall als Reservoir für billige Arbeitskräfte in den Kernländern West- und Nordeuropas angesehen wurde, oder als strategisches Rangierfeld auf Geheiß der NATO, das heißt der USA.

Westbalkan im Brennpunkt der Interessen Brüssels, Washingtons, Ankaras, Riads, Moskaus und Pekings

Seit die Region ins Blickfeld von Moskau, Riad, Ankara, vor allem aber von Peking geraten ist, flankiert von großen Investitionsprojekten der Volksrepublik China, im Rahmen der global angelegten Infrastrukturmaßnahme, die unter dem Begriff Seidenstraßen-Projekt fungiert, schrillen in Brüssel die Alarmglocken.

In Ermangelung vernünftiger ökonomischer Perspektiven folgt man dabei dem Narrativ, wonach NATO- und EU-Mitgliedschaft automatisch Frieden und Wohlstand bescheren, eine Sichtweise, die bei genauer Betrachtung brüchig ist. Im Gegenteil scheint das Vorpreschen der westlichen Macht, in diesem Fall bestehend aus EU und NATO, die alten Gespenster des Balkans, wie das Gespenst des Nationalismus zum Beispiel, zu neuem Leben zu erwecken.

Von Mazedonien zu Nordmazedonien

Das Drehbuch ist in der Regel so aufgebaut, dass nach dem NATO-Beitritt wenig später auch der EU-Beitritt erfolgt, bzw. zu erfolgen hat. In Skopje ging man dafür sogar so weit, die eigene Identität dieses ohnehin fragilen Staatswesens, amtlich zu verstümmeln, so dass aus der Republik Mazedonien Nordmazedonien wurde, um griechische Vorbehalte abzuwehren.

Nachdem die mazedonische Regierung zu diesem Klamauk bereit war, gegen den Willen eines nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung, die zu zweidritteln aus einer slawischen Ethnie besteht, zu einem weiteren Drittel aus Albanern, die weit streng religiöser sind, in diesem Fall muslimisch, als die Albaner im Kosovo oder der Republik Albanien.  

Nordmazedonien - ein fragiler Staat

Nordmazedonien ist schon seit Jahren schwersten internen Spannungen ausgesetzt. Die jugoslawische Teilrepublik Mazedonien war seinerzeit von Marschall Tito administrativ so konzipiert wurden, um bulgarischen Expansionsgelüsten entgegenzutreten, mit denen sich die slawischen Mazedonier sprachlich und kulturell eng verbunden fühlen, aber mit fester Hand regiert wurden.

Diese Autorität ging spätestens mit dem Zerfallsprozess Jugoslawiens verloren, aus dem Mazedonien als unabhängiger, wenn auch extrem instabiler Staat hervorging.

Spannungen zwischen Südslawen und Albanern

Mazedonien blieb zwar von blutigen Bürgerkriegen und ethnischen Säuberungen verschont, doch als Folge des Kosovo-Krieges kam es schon 2001 zu Gefechten zwischen UCK-Kämpfern und den mazedonischen Regierungstruppen.

Die Unterdrückung der albanischen Minderheit Mazedoniens, deren Bevölkerungswachstum sich weit schneller vollzieht als das der slawischen Mehrheit, wurde dort zwar nie so systematisch betrieben wie seinerzeit die Unterdrückung der albanischen Mehrheit des Kosovo durch Präsident Milosovic. Aber ethnische Harmonie oder gar konfessionelle Eintracht hat es in Mazedonien nie gegeben.

Die Albaner, die sich selbst Skipetaren nennen, also Adlersöhne, hatten nicht völlig zu Unrecht darüber geklagt, dass ihnen in Mazedonien eine angemessene Vertretung, gemäß der Größe ihres Bevölkerungsanteiles, in den politischen Institutionen verwehrt wurde. 2015 kam es dann zu blutigen Gefechten zwischen Regierungssoldaten und albanischen UCK-Freischärlern.

EU-Staat Bulgarien boykottiert EU-Mitgliedschaft Nordmazedoniens

Der erhoffte EU-Beitritt Nordmazedoniens wird aber jetzt ausgerechnet vom Nachbarland im Westen, dem EU- und NATO-Mitglied Bulgarien boykottiert, als Ausdruck für die Irrungen und Wirrungen der Brüsseler Politik, die blind den US-Vorgaben folgt, anstatt europäische Lösungen anzustreben.

Verhandlungen aber, über einen möglichen Beitritt Nordmazedoniens zur Europäischen Union wird es nur geben, wenn auch Bulgarien zustimmt. Die Beziehungen der beiden Länder gleicht einer Achterbahnfahrt.

1992 war Bulgarien der erste Staat, der ein unabhängiges Mazedonien anerkannte, erachtet die mazedonische Sprache andererseits nur als einen Ableger des Bulgarischen. So fordert Sofia Skopje dazu auf, dass es keine mazedonische Sprache gäbe und es sich hierbei nur um einen Dialekt des Bulgarischen handele.

EU und NATO schaffen neue Spannungen

Sollte Nordmazedonien sich darauf einlassen, also einen weiteren Kotau gegenüber den Nachbarstaaten, nach der Namensänderung, auch noch die mazedonische Sprache abschaffen, so würde dieses die slawische Bevölkerung kaum akzeptieren. Dann könnte man das Land gleich auflösen und unter Albanern und Bulgaren aufteilen, wie es neulich ein kritischer Journalist in Skopje formulierte.

Interessant ist hierbei, dass sich die bulgarische Regierung einer Interpretation bemüht, welche die IMRO, die Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation verfolgte, jene berüchtigte Organisation die in der Zwischenkriegszeit für ein Zusammenschluss Mazedoniens und Bulgariens kämpfte, und aus deren Reihen  Wladimir „Wlado“ Georgiew Tschernosemski stammte, der 1934 in einem Selbstmordattentat den jugoslawischen König Alexander bei dessen Staatsbesuch in Marseille ermordete, wobei auch der damalige französische Außenminister ums Leben kam.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die chinesischen Initiativen im Westbalkan die ökonomischen Perspektiven der Region verbessern, während der Vorstoß von EU und NATO die alten Ungeister des Nationalismus erwachen lassen. Am besten wäre es sicherlich, wenn alle Beteiligten Akteure ihre Energien bündeln würden, dann könnte im Südosten Europas eine Wachstumszone entstehen, deren Potenzial bis heute unterschätzt wird.

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